Ausatmung

Wir beginnen damit, uns im tiefen Ausatmen zu üben. Damit können wir uns schon bei guter Gesundheit erhalten. Tief ausatmen heißt ausatmen bis aufs Äußerste, bis zur völligen Entleerung, bis die Natur die Einatmung erzwingt. Eine uralte und bewährte Methode, um die Ausatmung zu üben, ist das Sprechen von Sprüchen oder Gebeten auf eine Ausatmung.

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Wer viel betet oder Sprüche auf den Atem spricht, hat seltener Beschwerden und ist gesünder. Die Wirkung liegt dabei weniger in den Worten des Gebetes als vielmehr im Entleeren der Lunge. Sie entledigt sich dabei der Kohlensäure, die sonst Spannungs- und Vergiftungszustände im Organismus hervorruft.

Da sich die Kohlensäure im Körper immer wieder neu bildet, muss die Lunge regelmäßig entleert werden.

Ideal ist es, wenn wir die Ausatmungsübungen alle 3 Stunden für 3 Minuten durchführen.

Das erste und einfachste, was wir üben und lernen müssen, ist also das Ausatmen. Das ist keine neue Entdeckung, sondern eine uralte Erkenntnis. Schon Jesus verwies seine Jünger auf das Ausatmen. Er lehrte sie ein Gebet, das sie „ohne Unterlass“, d. h. auf eine Ausatmung beten oder sprechen sollten. Also können wir vom „Vaterunser“ nur eine gute Wirkung erwarten, wenn wir es auf eine einzige Ausatmung aussprechen; denn dann erst entleeren sich die Lungen vollständig.

Erst wenn die Lungen vollständig entleert worden sind, ist ein voller Einatmungszug möglich. Verhilft uns das Sprechen der Sprüche und Gebete dazu, dann gibt es keinen Grund, warum wir nicht üben sollten.

Wichtig ist, dass wir beim Ausatmen die Brust gehoben halten. Der Bruskorb soll sich möglichst nicht bewegen, sodass sich die Lungen innerhalb der Brust frei bewegen, ausdehnen und zusammenziehen können.

Wir beginnen nun mit der ersten Ausatmungsübung und sprechen einen Spruch mit positivem, erhebenden Inhalt auf eine Ausatmung. Sehr gut eignet sich hierfür das schöne Gedicht von Friedrich Rückert: „Alles ist im Keim enthalten“.

Setzen Sie sich entspannt und aufrecht auf einen Stuhl, halten Sie den Brustkorb gehoben und die Schultern locker. Wir atmen tief durch die Nase ein und beginnen den Spruch in der Ausatmung zu sprechen:

Alles ist im Keim enthalten,
alles Wachstum ein Entfalten,
leises Auseinanderrücken,
dass sich einzeln könne schmücken,
was zusammen war geschoben. —

Wie am Stengel stets nach oben
Blüt’ um Blüte rücket weiter,
sieh’ es an und lern’ es heiter:
zu entwickeln, zu entfalten,
was im Herzen ist enthalten. —

Von Friedrich Rückert

Übe solches Ausatmen oder Beten entspannt und auf den Sinn der Worte konzentriert täglich für einige Minuten und setze es fünf Wochen lang fort! Dann wirst du nicht mehr sagen, dass du schon alles weißt und dass es für dich nichts Neues mehr zu entdecken gibt. Denn deine Unfähigkeit, Neues zu entdecken und zu begreifen, fängt an zu schwinden.

Wir mögen viele Dinge wissen, können aber sehr weit davon entfernt sein, sie zu begreifen und Nutzen aus ihnen zu ziehen. Wir mögen viele und sogar überdurchschnittliche Erfahrungen im täglichen Leben gesammelt haben, können aber doch unfähig sein, uns ein richtiges Urteil darüber zu bilden. Nur zu oft fällen wir ein falsches Urteil infolge unseres Vorurteils, Eigensinnes, Stolzes oder Trotzes, womit wir uns den Eingebungen unserer Individualität im Herzen entgegenstellen, weil wir fürchten, der Außenwelt gegenüber als Sonderling zu erscheinen. Wir könnten also sehr wohl verständiger und weiser sein, wenn wir uns nicht durch falschen Stolz den besseren Weg zur inneren Überzeugung abschneiden würden.

Wollen wir uns von der Begrenztheit unseres Denkenswesens und von unserer Urteilsunfähigkeit befreien, dann ist und bleibt die Verlängerung der Ausatmung das einfachste und wirksamste Mittel. Es mag uns anfangs schwer scheinen und auch schwer fallen, einen Spruch oder das Vaterunser auf eine Ausatmung auszusprechen; wenn wir aber entspannt, gelassen und ergeben immer wieder einen Versuch machen, werden wir schließlich doch für unsere Ausdauer belohnt.

Die völlige Entspannung ist dabei von großem Einfluss. Merken wir irgendwo auch nur die geringste Spannung, so ändern wir unsere Stellung sogleich ein wenig. Selbst eine ganz geringfügige Änderung kann dazu führen, dass wir die Ausatmung leicht verlängern können.

Je mehr wir mit dem Gedanken bei den Übungen sind, umso eher werden wir uns auch der unterschiedlichen Wirkungen bewusst, die wir durch unterschiedlichen Rhythmus erzielen können. Jede verlängerte Ausatmung wird uns neue und erstaunliche Wirkungen offenbaren und uns noch unbekannte Schätze und Kräfte erschließen.

Das Ausatmen richtet uns körperlich immer wieder auf, da es unser Blut reinigt und die Organe, also den materiellen Teil unseres Wesens, kräftigt. Darauf können wir die Erweiterung der spirituellen und der intellektuellen Seite unseres Wesens mit Erfolg aufbauen.

Mit der folgenden Ausatmungsübung, die seit uralten Zeiten auch Yima-Übung genannt wird, können wir leicht die guten Wirkungen der Ausatmung an uns selbst erfahren.

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