Jesus, der Nasiräer

In Jesus erblicken wir den größten aller Heilande der Welt und den größten Wissenskundigen oder Magier, der sich je auf dieser Erde offenbarte. Er suchte nicht seinen Eigenwillen oder eine begrenzte Idee zu vollziehen, sondern den göttlichen Willen dessen, dem er seinen Ursprung verdankte. Er war die Verkörperung der Grundtugenden, der Reinheit, der Liebe und der Weisheit, war reinen Herzens kraft des königlichen Blutes, das in seinen Adern kreiste und der ewigen Intelligenz im Herzen die Führung ermöglichte, sodass sie ihm die allumfassende Philosophie des ewigen Lebens offenbarte. Darum überragt er die Heilande, Weisen und Propheten aller Zeiten.

Der persönliche Geburtstag des Heilandes als eines Menschenkindes ist seit Jahrhunderten umstritten. Die Ur-Christen nahmen es nicht so genau mit dem Feiern des persönlichen Geburtstages. Meist feierten die örtlichen Gruppen irgendeinen Tag zwischen dem 23. März und 23. Mai in Verbindung mit einem anderen Anlass. Besonders die Kovenanter hielten sich an diesen Brauch. Aber die Mehrzahl entschied sich schließlich für den 23. Mai, weil bei genauerer Nachforschung dieser Tag am besten mit Jesus Charakterzügen übereinstimmt.

Jedenfalls behauptet nicht einmal die Kirche, dass Jesus zu Weihnachten geboren sei, sondern sagt, zu Weihnachten feiere man die Geburt Christi. Also ist die Geburt Jesus eine Sache und die Geburt Christi eine andere Sache. Jesus ist eine Person, ist unser Heiland, der Erlöser. Aber Christus oder Chrystos ist ein Prinzip, ist der Zustand der Erneuerung oder Wiedergeburt. Der 23. Mai ist der Geburtstag des Menschenkindes Jesus, eines Erlöserkindes, das das Chrystos-Prinzip offenbarte.

Dagegen ist der 25. Dezember der Geburtstag des universellen Chrystos oder die Wiedergeburt des Lichtes, das in der Finsternis leuchtet. Weihnachten ist der Geburtstag für alle Kinder Gottes, die ihre Aufgabe in der Mitarbeit an der Schöpfung sehen, wie Ainyahita es vor tausenden von Jahren schon ausgedrückt hat: „Ich bin hier auf dieser Erde, um sie anzubauen und die Wüsten zu verwandeln in ein Paradies, das Gott und seinen Bundsgenossen als würdige Wohnstatt diene.“

Schließlich ist der Tag, an dem sich der Heiland körperlich auf Erden offenbart hat, unwesentlich für ein fortschrittliches, verfeinertes Gesinn und für ein kultiviertes Herz, dem es genügt, dass der Heiland die Wahrheit in einer Sprache kundgetan hat, die ein Mensch begreifen kann, für den Religion, Philosophie, Wissenschaft und Soziologie noch eine untrennbare Einheit bilden und der daher den guten Willen hat, in der menschlichen Gesellschaft den Frieden, die Freiheit und die Vollkommenheit zu fördern, wofür der Heiland das lebendige Beispiel ist. Denn er stellt dar die vollkommene Einheit zwischen der begrenzten Körperlichkeit und der unbegrenzten Unendlichkeit, oder wie er selbst sich auszudrücken pflegte: „Ich und Abba, wir sind uns Eins geworden.“

Uns macht es also nichts aus, ob man sich für dieses oder jenes Datum entscheidet. Ja, uns würde es nicht einmal etwas ausmachen, wenn bewiesen werden sollte, dass der von den Evangelien-Schriftstellern dargestellte Heiland nie gelebt und sich nie auf Erden offenbart habe. Denn selbst dann bliebe uns die Genugtuung, dass die dargestellte Idealgestalt auf die Möglichkeit der Vollkommenheit in künftigen Tagen hingewiesen hat, die erreicht werden kann, sobald der Mensch nur die Prinzipien des Lebens begreift und die Gesetze der Wiedergeburt anwendet. Deshalb sollte uns der Geburtstag des Heilandes in jedem Fall ein Tag tiefer Betrachtungen über den Gegenstand der Erlösung sein, damit durch die Kraft der von uns unterhaltenen Gedanken der Tag der Errettung schneller herbeigezogen und die Wahrheit uns schneller erkenntlich werde, dass die Errettung der Menschheit nicht religiösen Organisationen übertragen worden ist, sondern aus der Geburt von Erlösern beruht, dank der Beachtung der Wiedergeburtsgesetze.

Entscheiden wir uns für den 23. Mai als Jesus Geburtstag, dann treffen wir mit der größten Wahrscheinlichkeit die richtige Wahl. Denn der 23. Mai bringt den Menschen Jesus auf die Wende zwischen zwei Sternbildern: er verlässt das Zeichen des Stieres und tritt in das Zeichen der Zwillinge. Deshalb vereinigt er zwei Naturen in sich, die Natur des Endlichen oder Materiellen und die Natur des zweifachen Prinzips der Unendlichkeit. Er besitzt alle Eigenschaften des Stieres, der keine Furcht kennt und hat zugleich die Attribute des Gottesbewusstseins und die Zuversicht göttlicher Macht.

Erst Jahrhunderte nach Jesus Geburt, zur Zeit der Dogmenstreite, entstand ein großer Streit über das genaue Datum seiner Geburt, und es gab viele Auseinandersetzungen über die beiden Naturen des Heilandes. Tatsächlich weisen auch die Charakterzüge des Heilandes stark auf die Zwillinge hin, aber er zeigt auch die vom Stier ererbten Neigungen, also einerseits das große Verlangen nach Ausgleichung und Aussöhnung und andererseits die große Entschlusskraft, zu handeln und sein Ziel zu erreichen, als ein Chrystos hervorzutreten und die Neu-Ordnung der Dinge durchzusetzen.

Gegenüber den Widerständen seiner Zeit bewies er eine fast übermenschliche Kraft, seine Leiden übersteigen fast das für einen Menschen erträgliche Maß und seine Opfer alle Begriffe. Er offenbarte die Nachdrücklichkeit und Festigkeit der Allmacht, die sich ihres Zieles sicher ist, dass ihr Reich errichtet wird auf dieser Erde. Seine Botschaft erschütterte die ganze Welt in ihren Grundfesten, weil er als Einziger gegenüber allen den Standpunkt vertrat: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt! Wir sind in der Welt, aber nicht von der Welt!“ Wegen dieser Gipfelung und zugleich wegen der Ausgleichung erweist sich sein Leben als ein vollkommener Erfolg. Denn seine Botschaft und sein Plan für die »Neu-Ordnung der Dinge« lebten weiter in den Herzen und Gesinnen all der Menschen, die seine Offenbarungen zu würdigen verstehen.

Der Natur der Zwillinge entspricht seine große Bescheidenheit, Demut und Ergebenheit selbst in allem, was ihn persönlich betraf. Das setzte ihn instand, überall ausgleichend und vermittelnd zu wirken. Er lehrte hoch und niedrig und tröstete die Reichen in ihren Kümmernissen ebenso wie die Armen in ihren Sorgen um das Alltägliche. Seine Botschaft der Hoffnung, der Zuversicht und Anerkennung galt den Kranken ebenso wie den Geweckten und Vorwärtsstrebenden. Überall verbreitete er Licht in der Finsternis, machte den Herzensfunken aufflammen, öffnete allen die Ohren und die Augen, damit ein jeder den einzigen Weg zur Freiheit und zum ewigen Leben erkenne.

Er lehrte den wahren Zweck und das Ziel des Lebens, offenbarte den Ausweg aus dem Labyrinth der zeitlichen Verstrickungen durch das Zurückgehen auf das göttliche Prinzip im Herzen. In allem, was zu einem vollkommenen Leben auf Erden gehörte, unterwies er die Menschen und bestärkte ihr Gottvertrauen, dass über eine kleine Weile das Böse verebben und die Erde erfüllt sein werde von der Herrlichkeit des Herrn wie das unausschöpfbare Meer.

Tatsächlich ist seine Botschaft bis auf den heutigen Tag immer noch wundervoll, da sie die wahre Lösung aller Lebensfragen einschließt, und die Verwirklichung seiner Botschaft durch seine Person bis zur höchsten Vollendung steht immer noch unerreicht da. Unabhängig davon, an welchem Tag des Jahres wir ihm gedenken, heißt das nicht nur, der vergangenen Tage eingedenk sein, sondern sich auch zugleich vorzustellen, welche Möglichkeiten die künftigen Tage noch innehalten für uns. Denn seine Weisung war: „Noch Größeres als ich sollt ihr tun!“

Zur Zeit seiner Geburt kamen die drei Weisen aus dem Morgenland, drei Zarathustrier, die ihm die Abzeichen und Geschenke ihres Ordens brachten, die ihm nach göttlichem und nach Familienrecht zustanden, sodass er zur Überraschung seiner Eltern die goldenen Abzeichen zu tragen bekam, die die Ordensleute der Chrystos-Bewegung oder die »Männer in weißen Kleidern« zu tragen pflegten. Außerdem gaben sie den Eltern Erklärungen, welche Bedeutung die Geburt des Kindes für sie und die ganze Welt habe, um sie auf ihre große Verantwortung aufmerksam zu machen. Aber die Eltern konnten nicht alles verstehen.

Das Gold, das die drei Weisen nach der Angabe der Evangelien mitbrachten, waren Goldmünzen mit symbolischen Zeichen, die der zarathustrische Orden ausgedacht hatte. Der Weihrauch war kristallisierter Wohlgeruch. Die Myrrhen sind das Sinnbild des Schutzes gegen äußere Einflüsse. Daraus sehen wir, dass das Jesuskind nicht gewöhnlicher Herkunft war.

Der Stern, der die drei Weisen führte, ist die große Mission, die Jesus übertragen war. Schon wenn wir das bedenken, sehen wir die besondere Bedeutung des Jesuskindes. Jesus verrichtete sein Werk über alle Erwartung gut und wich keiner Pflicht aus, sei es gegenüber der Sippe oder Familie, dem Volke oder dem Staate, ja, er tat viel mehr als irgendjemand anders zu seiner Zeit. Dabei stand er ganz und gar allein im Kampf gegenüber dieser entarteten Zeit und ging schließlich aus allem doch siegreich und erfolgreich hervor.

Jesus offenbarte bei der Durchführung seiner Mission nicht nur hervorragende geistige Fähigkeiten, sondern auch einen ganz und gar unbestechlichen Charakter. Es wäre doch sehr leicht für ihn gewesen, sich davon zu machen und in ein anderes Land zu gehen, wo er es vielleicht leichter gehabt hätte, seine persönliche Aufgabe zu erfüllen. Aber er tat das nicht, weil er die Ehre seiner königlichen Familie nicht beflecken wollte, die zugleich die Ehre des Volkes war, unter dem er lebte, er tat vielmehr, was dessen Ehre rettete.

Von Dr. O. Z. Hanish. Weiterführende Literatur: Yehoshua – Das Leben Jesu
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